Lyrik

"Gretchen"
                    Nach K. G.

Mach es dir schön, denn ihn gibt es nicht mehr,
er wollte dir alles zeigen,
du solltest ihm alles glauben,
er hat dir nur dies gezeigt,
du hast ihm nur das geglaubt,
mach es dir schön, du Schöne,

ihn

gibt es nicht mehr.


Schmaler Schlaf,
Messers Schneide,
Fette Rede,
Leerer Tag,
Springer Abend,
Nacht in Klammern,
Morgen, Grauen,
Krieg und Tag.


Du
legst meine Augen trocken
inmitten
Zäunen von Vergangenheit,
die grünen Irisfische
winden sich

im Schlamm der Erinnerung.


Ein Gedicht,

noch ein Gedicht
um dir nahe zu sein,
dein Schweigen
drängt mich an den Rand der Zeit
die
für uns bestimmt war.
Finde ich dich nicht
werde ich vergessen,
wer ich war.


Ein Gedicht,

noch ein Gedicht,
um dir nahe zu sein,
dich zu fragen
nach dem Schrei des Kindes,
nach dem Wind,
der mit kahlen Ästen
den Herbsthimmel leerfegt,
dich zu bitten,
mit mir

über den Winter zu gehen.


Gesichter
zersetzt von Schlaf,
Gedanken,
aufgesogen von der Leere,
die aus dem Herzen kommt.

Menschen, wahrnehmbar nur
durch ausgestoßene Feindseligkeiten,
Alltagswaffe
zur Abgrenzung von Territorien,
archaischer Kampf,
heute.

Zwischen versteinerten Gesten,
langen Wegen, kahlen Wangen
irrt
ein Gefühl
und sucht seinen Urspurng,
doch
keiner bekennt.


Geschlossene Augen

Geschlossene Steine,
von Jahrhunderten
durch Vergessen versiegelt,
innen
ist die Saat
über Abgründen aufgegangen,
gebiert Wissen
um Jahreszeiten,
um Geburt
und Tod.

Geschlossenen Augen.


Nein,

ich bin zu müde,
einfach zu müde, um noch einmal loszuziehen,
dich zu erkennen und dann zu suchen,
zu suchen
zwischen den Scherben
vergangener Spiegel
die einst

an ihrer Blindheit zerbrachen.



Du bist mir nah,
nachts,
wenn die Träume
im Schlafzimmer zunehmen
und Schränke sich öffnen
wie Tunnels in eine andere Zeit.
Dann
bedecke ich mich
mit drei Decken
und zwei Kissen,
begrabe mich
unter Tonnen von Wärme
und denke an dich,
versuche
an nichts anderes zu denken,
nur
daß es dich gibt
und
du weißt
daß es mich irgendwo gibt
und sich
unsere beiden Gedanken
auf gekreuztem Wege

berühren.


Monaray
ich habe heute von deinem Namen gelesen,
ich habe heute von deiner Existenz erfahren
in Hinterhöfen, über Hintertreppen.

Dein Name klingt exotisch,
ein Tupfer Inkagold
auf einer deutschberlinerischen Künstlerexistenz
von der niemand viel weiß
außer
dir und deinen Träumen,
Monaray.


Mit
Den Tüchern der Nacht
Das Knäuel Schlaf überworfen,
zu bannen an den Ort
der nächtlichen Versuchung,

verschwistern

der Morgenröte,
die
mit Lachen aus Perlmutt und Kirschblütenahnung
den dumpfen Himmel erobert.


Was ist der Tod?
Ist es der ältere Bruder des Schlafes?
Das kleine Mädchen, das vor Jahren an Leukämie starb
Oder der alte Mann, der so viel von den Tieren wusste
Und sich die Adern längsseits aufschnitt?

Ist der Tod der, den ich heute aus der Kartei gelöscht habe
- er warf sich vor den Zug -
Oder das, was mich vor dem morgigen Tag trennt?

Ist der Tod
Die Gleichgültigkeit,
die mich zu müde gemacht hat
um
noch länger auf dich zu warten?


Mein Kaffee hat einen rauchigen Beigeschmack,
Rauch liegt auf dem Herbstland,
unsere Liebe löst sich in deinem Zigarettenrauch auf.

Schall und Rauch ist ein altes Wort,
Rauch ist das, was von einem großen Feuer übrigbleibt.


Christiane schläfft

Leise
führt dein Blut
traumtrunkene Tänze auf,
mahnend gebändigt
von
den seidenen Buckeln
deiner Haut.

Während draußen
der Himmel in Tinte badet,
taucht
ein Zauberkind
seinen Finger in den Mond
und malt dir
goldene Sterne.


Der Vormittag erreichte mich am späten Mittag.
Draußen
floß die Zeit in dünnen Schichten vorbei
und
ich erschrak, daß Es noch hier war,
das Wort mit vier Mauern.

Rote Hühner huschen durch die Bäume,
die Novembersonne entblößt einen Himmel
vom Vogelflug
in Notensysteme zerteilt.

Die Zeit vergeht nicht in mir,
außerhalb werden die Dinge alt,
ich werfe mein Auge auf den gläsernen Berg
und steige hinunter in die Verliese der Worte.


Meine Gedanken sind unterwegs
wie
eine Rotte grauer Wölfe.
Beengt durch die Tageskanäle suchen sie draußen nach Nahrung.
Präludien kommender Morgen verwesen in ihrem Atem,
in unentwirrbarem Knäuel
balgen sie sich um die Knochen der Vergangenheit.

 

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